Ab in die Klinik

 

ca. 9.30 Uhr wurde ich pünktlichst abgeliefert und bekam mein Zimmer gezeigt, das ich mit der Blonden teile. Ein wenig erinnert mich dieses Zimmer an das Zimmer im Berliner Kolpinghaus während meiner Ausbildung. Zum Glück habe ich hier keinen Kindergarten vor dem Fenster.

Mph, Kinder feindlich? Nö :-) Erstens ist vor dem Fenster der Raucherbalkon - ich bin gerettet - und zweitens ist direkt davor ein kleiner Park und weil wir hier ja entspannen, zu uns finden und uns wieder wahr nehmen sollen, ist der fehlende KiGa und somit das Fehlen des dazugehörigen Geräuschpegels ein Glück :-)

 

Ja, dann schnell ausgepackt, die ganzen Formulare ausgefüllt - 10.30 Uhr - was mach ich jetzt? Ach ja, Blutentnahme, der Arzt stammelte irgendwas wie:“das müsse so sein (Drogentest?)?“ Und was mach ich jetzt, mph erst mal eine rauchen gehen! Auf dem sonnigen Balkon saß ich dann bis zum Mittagessen mit den Fragebögen zu den Themen Essverhalten, Stressverhalten, Beziehungsfähigkeit, Selbstmordtendenz, Schmerzempfinden undundund. Wie fühle ich mich in welchen Situationen, glauben sie an Zauberer und Hexen, haben sie manchmal das Gefühl neben sich zu stehen, haben sie Selbstmordgedanken, glauben sie an eine Zukunft, usw. in den verschiedensten Ausdrücken. Dann kam mit dem Mittagessen der erste Härtetest für mich, mit rund 20 Leuten auf kleinstem Raum! Alle sind freundlich, stellen sich vor, alle sind gut drauf und ich habe nur den Gedanken: hier bin ich falsch. Bleibe aber brav sitzen, hole mir nach dem Essen stromfreien Kaffee (gibt es umsonst aus dem Automaten juhu) und gehe wieder auf den Balkon um eine zu rauchen. Dann zum nächsten Termin: 14.15 Uhr bei der Therapeutin. Das Gespräch beginnt mit der Frage: Warum sind sie denn hier? und wieder kommt mir der Gedanke: Weiß ich auch nicht, ich geh ja schon. Natürlich bleibe ich sitzen, versuche klar und deutlich und in Lebenslauf Struktur die Möglichkeiten runterzurattern und nach 30 min wird mir in Aussicht gestellt: „Es besteht die Möglichkeit von Fluchtgedanken in der ersten Woche, das ändert sich dann noch.“ Okay, da hab ich wohl früh damit angefangen. 15 Uhr wieder auf Station und gehe erst mal eine rauchen - mit einem Kaffee versteht sich. Leider stehen viele andere draußen und erzählen: was sie in den ersten zwei Monaten so gemacht haben (2 Monate hier? stationär?), wie sie sich die nächsten 2 Monate vorstellen (jetzt wird mir komisch), wie das die ersten 3 Mal hier war (immer wieder stationäre Aufnahme?). Und die Panik steigt. Plötzlich steht die nette Dame wieder neben mir drückt mir einen Urinbecher in die Hand und murmelt: "Normalerweise machen wir das nicht, aber in ihrem Fall." Was für ein Fall? Kein Arzt weit und breit? Mit Ach und Krach schaffe ich es noch auf das Zimmer um mich hier erst mal meinem Selbstmitleid hin zu geben (warum passiert mir so was), als nächstes kamen dann die Selbstvorwürfe (du dumme Nuss hast dich doch selbst eingewiesen) und jetzt (nach einem Abendessen mit 2 Scheiben Brot und 3 kleinen Scheiben Käse - konnten kaum die erste Brotscheibe bedecken) kommen meine schlechtesten Weggefährten aus der Dunkelheit und setzen sich auf meine Schultern. Seitdem höre ich rechts: "auf, 2 Straßen weiter ist der REWE - hol dir was zu essen" und von links kommt: "Na, das schaffst Du nie! Willst wirklich nicht das nächste Wochenende tagsüber nach Hause?"

 

Momentan graust es mir vor dieser Nacht und ich hoffe morgen wird ein bisschen abwechslungsreicher und irgendjemand steckt mir mal wie die sich das hier mit mir vorstellen - kann ja nicht sein das ich vor lauter Langeweile zum Kettenraucher werde. Ne, mal ganz im Ernst, hätte nie gedacht, das mir mein Leben (wahrscheinlich durch die Fragebögen) und die Masse an Zeit gleich am ersten Tag auf die Füße fallen. Okay, aber 3 Monate hier stationär - Stand heute: Horror!

Boah, wer hilft mir durch die Nacht?

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